Aja von Loeper

Die Struktur von Weiß

Vernissage 27. August 2020

Ausstellungsdauer 28. August bis 06. Oktober 2020

Kunst hat immer ihre Berechtigung. Ob sie der Gesellschaft den Spiegel vorhält oder rein privater Ausdruck individuellen Empfindens ist: Kunst ist in sich immer Ausdruck des freien, kreativen Denkens (Sie ist die Tochter der Freiheit, wie es Schiller formulierte). Eine Errungenschaft unserer modernen, humanistischen Gesellschaft, die es zu schützen und zu fördern gilt. Doch was macht gute Kunst, was einen Künstler, eine Künstlerin aus? Darüber lässt sich freilich vortrefflich streiten. Einer der m.E. bedeutsamsten Aspekte ist der der Authentizität. Der Künstler bzw. die Künstlerin, die nach langem Ringen mit sich und dem jeweiligen Medium die für ihn/sie beste Form des Aus-drucks findet, ist sich – und nur sich – treu und vermag so ein in sich stimmiges Werk, und letztlich ein überwältigendes Oeuvre zu schaffen. Dem Wesen eines Künstlers nähert man sich nicht mit der Frage „Kannst Du von Deiner Kunst leben?“. Sinnfälliger ist die Frage: „Könntest Du OHNE Deine Kunst leben?“.
Ohne Zweifel: dem Kriterium der Authentizität wird Aja von Loeper gerecht. Bereits im Studium (1997-2002 in der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste) ging sie ihren eigenen Weg…. und dieser führte sie in den Wald. Während Kommilitonen an Installationen tüftelten oder Videos schnitten, saß Aja von Loeper inmitten von Bäumen. Auch das Medium schien damals anachronistisch: Es war das Papier. Papier ist in der Kunstgeschichte ein sehr intimes Medium, in der Regel Träger von flüchtigen Entwürfen, spontanen Skizzen oder nicht unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmten Notizen. Das Unmittelbare der eigenen Handschrift, der Spur, die der Künstler auf dem Blatt hinterlässt, prägt auch von Loepers teils großformatige Blätter. Ihr Zeicheninstrument ist jedoch kein Bleistift, sondern ein abgerundetes, stiftartiges Stück Holz. Hiermit arbeitet die Künstlerin Formen und Strukturen aus dem Papier heraus, immer mit der Gefahr lebend, das fragile Medium zu zerstören. Es bedurfte langjähriger Experimente, steten Versuchens und Scheiterns aber auch der einen oder anderen persönlichen Krise, um zu einer ganz eigenen Bildform zu kommen. Mit ihrem Werkzeug verdichtet die Künstlerin ein plastisches Zentrum, das sich kraftvoll aus dem strahlenden Weiß des Blattes emporwölbt. Das führt dazu, dass der Anfang am Ende den Höhepunkt darstellt. Mannigfaltige Texturen reflektieren das Licht und bilden zarte Helldunkel-Schattierungen aus. Das Blatt wird zum Relief mit einer fast unwirklichen Plastizität. Es scheint als würden ihre Arbeiten von innen heraus leuchten.
Aja von Loepers Werke verweigern sich einer eindeutigen Bestimmung, wie die Werke von Lucio Fontana, einer wichtigen Inspirationsquelle für die Künstlerin: Ihre Arbeiten sind weniger Zeichnung als viel mehr Geste, vielleicht sogar auch Bildplastik. Das von der Künstlerin entwickelte Vorgehen darf nicht mit der Frottage verwechselt werden, jener vor allem im Surrealismus künstlerisch entwickelten Technik, bei der sich Strukturen des Untergrundes in das Papier übertragen lassen. Es geht Aja von Loeper nicht um ein Aneignen vorhandener Formen und Strukturen, sondern um ein Erspüren. Ihr künstlerischer Prozess war ein sukzessives Loslösen von dem Gesehenen, der letztlich in einem fast rauschhaften Zustand höchster Konzentration endet.
Was wir vor uns sehen, sind nicht Abbilder von irgendetwas. Der Gegenstand, der Baum, die Natur ist vielmehr der Anlass. Es geht um das Wesen an sich: die Fragilität des Mediums steht metaphorisch für die Zerbrechlichkeit des eigenen Seins in unserer Welt. Aber es ist auch gerade diese Zerbrechlichkeit, die Ursprung einer ganz besonderen Schönheit ist. Ein unerschöpflicher Quell!

Eröffnungsrede von Dr. Christian Schoen

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