Martin Noël

Elfmeter

Hölzer, Malerei, Holzschnitte

Vernissage 12. März 2020

Ausstellungsdauer 13. März bis 26. Mai 2020

MartinNoëlElfmeterEinladungskarte.pdf

MN: Gehen wir gleich in Medias Res: Warum haben Sie Martin Noël,
als Sie damals Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle der
Bundesrepublik Deutschland waren, nicht ausgestellt?
WJ: Unsere Programmschwerpunkte lagen auf den Themenbereichen
Kunst, Kultur, Technik und Wissenschaft. Eine One Man Show ging
damals nur einmal im Jahr und hier hatten wir natürlich Favoriten die
bereits an der Schwelle zum Weltruhm standen wie Gerhard Richter,
Siegmar Polke und Sam Francis nicht zu vergessen. Martin Noël starb
leider mit 54 Jahren zu früh. 2010 erhielt er nach seinem Tod eine
sehr interessante Ausstellung im Arp Museum Rolandseck die einen
ersten Überblick über sein Lebenswerk wiederspiegelte.
MN: Was hat Sie dazu bewogen sich erneut mit Martin Noël zu
beschäftigen?
WJ: Durch Zufall stieß ich auf die frühen Kataloge der Galerie Erhard
Klein. Hier entdeckte ich Martin Noël zwischen den angesprochenen
Größen die damals erst zu wachsen begannen – das machte mich
neugierig auf das was damals Erhard Klein bereits gesehen hatte und
was mir verborgen geblieben war. Jedenfalls bin ich heute sehr froh,
dass sich viele Unterstützer gefunden haben um die Ausstellung zu
realisieren. Dabei können wir unter anderem auch der von Ihnen
gestellten Frage nachgehen. Das von Stephan Berg und dank Ihrer
Mithilfe entwickelte Konzept hilft dabei. Es konzentriert sich auf drei
Werkgruppen in drei Räumen – ppp – paint print paint so könnte
man sie einzeln benennen.
MN: Wo würden Sie den Noël heute einordnen?
WJ: Einordnen ist immer so eine Sache. Einordnen und wegschließen.
Das war es dann. So sollte es nicht sein.
In der Ausstellung steht das erste p für seine frühe informelle Malerei
in der es um einen impulsiven, wilden und satten Farbauftrag geht,
der die Silhouette einer Körperhaftigkeit umfließt. Diese dunkle
Körperhaftigkeit, der Farbauftrag, ja auch die schwarz-weiße
Farbigkeit und selbst das bei Noël später auftauchende Motiv der
Leiter findet sich in den Werken des holländischen Künstlers
Armando aus den achtziger Jahren wieder.
MN: Meinen Sie damit das er Armando imitierte?
WJ: Martin Noël war damals in den künstlerischen Anfängen und
suchte einen Anknüpfungspunkt um von dort zu seiner Aussage zu
finden. Übrigens ein Vorgehen welches sich in der gesamten
Kunstgeschichte wiederfindet. Künstler lassen sich von Künstlern
anregen, greifen auf und finden zu etwas völlig Neuem. Noël war und
das belegt seine über 4000 Bücher umfassende Bibliothek, äußerst
belesen und über die Geschichte der Malerei bestens informiert.
MN: Was meinen Sie damit? Können Sie das näher ausführen und
erklären worin Sie denn jetzt seine Stärken sehen?
WJ: Das Werk von Martin Noël im zweiten p basiert auf den
Überlegungen des an der Entwicklung der modernen Kunst
maßgeblich beteiligten Otto Freundlich (1878- 1943).
Er erachtete die Linie als das wesentliche Trennungsmerkmal
zwischen den Dingen, die eine räumliche Wahrnehmung erst möglich
macht. Von Bedeutung für Noël sind auch die Gedanken des
englischen Philosophen John Berger (1926-2017) in denen er sich für
die Entdeckung des Unbeachteten, des eher Bedeutungslosen, bei
der Wahrnehmung von Natur aussprach. So abstrakt die Bilder von
Martin Noël erscheinen mögen, so haben sie alle ihren Ursprung in
der unmittelbaren, von Berger angesprochenen, unbeachteten
Realität.
Seien es die Risse im Boden des World Trade Centers in New York
nach der ersten Bombenattacke von 1993 oder seien es die Risse in
den Wänden der Häuser von Venedig oder die Schatten der Blumen
die er auf seinen Reisen nach Gomera entdeckte und als Skizzen auf
Papier brachte. Später schnitt er diese Linien in das Holz eines
Druckstockes und fertigte ganz in der Tradition von Albrecht Dürer
seine Serien. Dabei druckte er in einer ganz besonderen Farbigkeit
die sich gelegentlich an der Farblehre von Le Corbusier (1887-1965)
orientierte.
Er druckte stets in kleinen Auflagen, bei den größeren Drucken
handelt es sich meist um Unikate, die sich durch eine kräftige und
farbige Strukturierung der Ölfarben auf dem Blatt auszeichnen.
Oft erklärte er nach Abschluss der Druckarbeiten den Druckstock
selbst zum künstlerischen Objekt, indem er ihn mit Farbe oder
Blattgold überzog und ihm so seine Wiederverwendbarkeit entzog.
In seinem gesamten künstlerischen Werk und darin liegt die
eigentliche Leistung von Martin Noël, fand er zu einer eigenen
künstlerischen Position. Sie definiert sich aus dem exzessiven Dialog
zwischen Linie und Fläche, die nicht einem konkret konstruktiven
Ansatz, wie ihn Günther Förg vollzieht, sondern sich aus der
Wirklichkeit speist.
Dabei gelingt es ihm den bedeutungsschweren expressiven
Realismus, wie er sich in den Drucken von Künstlern wie Baselitz,
Kiefer und Lüpertz aber auch bei Felix Droese wiederfinden lässt,
hinter sich zu lassen, um sich ein eigenes Territorium Artis zu
schaffen.
MN: Im dritten p findet Martin Noël wieder zurück zur Malerei wie es
sich in den letzten zum Objekt zurückgemalten Druckplatten schon
andeutete. So steht dieses p für sein Spätwerk und zugleich für seine
vielleicht erfolgreichste Malphase.
WJ: Mit ihr vollzieht er die komplette Auflösung der Figuerlichkeit,
die komplette Befreiung von jeglicher Thematik. Dabei ist es nicht
verwunderlich das der kräftige Duktus des Pinselstrichs und der
dadurch stark strukturierte Farbauftrag an die Arbeitsweise Franz
Kline erinnert. Kline ist einer der wichtigen Vertreter des abstrakten
Expressionismus, des Action Painting in den Sechzigern in Amerika.
In Anlehnung an diese Malmethode findet Noël zu einem
einzigartigen Umgang mit Farb- und Lichtreflexen von dem man
sagen kann:
Licht und Farbe hat er uns ins Bild gebracht und nicht ein Bild von
Licht und Farbe gemalt.
Dabei ist er sich und dem Informell auf hohem Niveau in einzigartiger
Weise treu geblieben.

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